
Alte Staatsoperette Leuben
Ein Haus voller Geschichte(n)
Mit dem verheerenden Brand des Theaterbaus in Leuben am 6. Juni 2025 verliert Dresden ein wichtiges Stück seiner bewegten Theatergeschichte – und die Staatsoperette einen Ort prägender und liebgewonnener Erinnerungen.
Auch an ihrem Standort im Kraftwerk Mitte seit 2016 ist die Staatsoperette getragen vom lebendigen Erbe ihrer nun fast 80-jährigen Geschichte, denn alles begann in Leuben: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war das Wiederaufblühen eines kulturellen Lebens dem leidenschaftlichen Engagement von Mäzenen und Künstler*innen zu verdanken. 1945 kaufte der Theaterunternehmer Fritz Randow den Gasthof Feenpalast in Leuben auf, um ihn zu einem privaten Unterhaltungstheater umzubauen. So wurde aus dem ehemaligen Ballsaal mit kleiner Bühne das Apollo-Theater, das schon 1946 erste Programme mit Sketchen, Tanz und Musiknummern präsentierte. 1947, mit Gründung des Deutschen Volkstheaters Dresden durch die SED, wurden sowohl das Apollo als auch die Constantia in Cotta übernommen und unter dem Dachverband des Volkstheaters zusammengefügt. Auf den Spielplänen standen Konzert, Sprechtheater – und Operette. Zur Eröffnungspremiere wurde Die lustige Witwe gegeben, es folgten Werke von Kálmán und Abraham, darunter 1949 Ball im Savoy. Mit der Gründung der DDR im Jahr 1949 wurde der Theaterkanon zunehmend auf die Vereinbarkeit mit sozialistischen Grundwerten überprüft. Die Staatsoperette entwickelte sich, zunächst als eigenständiges Operettentheater, ab 1963 unter jetzigem Namen, zu einem der wichtigsten Uraufführungstheater der DDR: Rund 20 neue Operetten, Lustspiele und Musicals mit lebensnahen Themen und sozialistischem Grundton präsentierte die Staatsoperette im Leubener Haus. Ergänzt wurde das Repertoire durch Operetten aus benachbarten „Volksrepubliken“ und der Sowjetunion sowie ab den 1970er Jahren durch amerikanische Musicals. Als Meilensteine der gesamtdeutschen Theatergeschichte gelten vor allem die DDR-Erstaufführungen von Cabaret im Jahr 1976 – eine herausfordernde Produktion, musste nun doch mikroportiert gesungen und gespielt werden – sowie 1987 Evita, über die die Presse zu berichten wusste, dass „die gelungene Synthese von theatralisch gebündelter Ausdrucksdichte, musikalisch-stilistischer Einfühlungsfähigkeit und Brillanz, von leidenschaftlicher, ausgefeilter Darstellung und choreographisch-tänzerischer Finesse nachhaltig beeindruckte“.
Mit der deutschen Wiedervereinigung verschwanden ab 1990 DDR-Operetten von den Spielplänen, und auch der inzwischen marode Theaterbau wurde grundlegend erneuert. Die aus der Ruine des Central-Theaters geborgene Obermaschinerie wurde ersetzt, die Beleuchtungs- und Tontechnik erneuert, das Vorderhaus renoviert und der Orchestergraben erneuert. Nach der Sanierung wurde das Haus 1990 mit der Fledermaus feierlich neueröffnet. Auch in den 1990er und frühen 2000er Jahren blieb die Staatsoperette in Leuben ein innovatives Theater, das sich mit deutschen Erstaufführungen von u. a. Aspects of Love (1997) und A Beautiful Game (2003) von Andrew Lloyd Webber sowie Catch Me If You Can (2015) von u. a. Marc Shaiman schmücken konnte. Nachdem eine Schließung der Staatsoperette abgewendet werden konnte und der Umzug in die Stadtmitte 2010 im Stadtrat beschlossen wurde, verzichteten die Angestellten für 12 Jahre auf Teile ihres Gehalts, um 12 Millionen Euro für den Neubau im Kraftwerk Mitte beizusteuern.
Dass das in seinen Mitteln limitierte – und mittlerweile marode – Haus in Leuben bis zum letzten Vorhang am 31. Oktober 2016 für künstlerische, handwerkliche und technische Qualität stand, ist dem unermüdlichen Engagement, dem Einfallsreichtum und der Improvisationskunst der Belegschaft zu verdanken. Die „alte“ Staatsoperette in Leuben wird den Dresdner*innen, einem überregionalen Publikum, vor allem aber den Mitarbeitenden – der „Theaterfamilie“ der Staatsoperette – als ein Ort, der Geschichten auf und abseits der Bühne schrieb, in Erinnerung bleiben.